Er schreit nicht. Er tobt nicht, stößt keine lauten Jubelschreie aus nach gelungenen Angriffsaktionen. Jochen Wollmert ist kein emotionaler Spieler. Das ist eigentlich immer der Gegenüber. "Gegen einen wie mich spielen sie ja auch nicht jeden Tag", sagt der Paralympicssieger von 2008. Das soll nicht überheblich klingen - aber dieser 44-Jährige im Trikot der TSG Heilbronn ist nicht irgendein Oberligaspieler. "Mir ist wichtig, dass die Leute sehen: Auch als behinderter Sportler kann man es weit bringen", sagt Wollmert. Trotz versteifter Hand- und Fußgelenke spielt er in der vierthöchsten Liga.
Rückhand als Waffe
Unorthodox sieht das aus, wenn er zum Rückhandtopspin ausholt und der Ball Sekundenbruchteile später unerreichbar für den Gegner auf der anderen Seite des Tisches landet. "Er hat natürlich einen ganz anderen Spielstil als die meisten in dieser Liga", sagt Kai Kappe vom Ligakonkurrenten aus Bad Rappenau. Die Ehrfurcht vor dem mehrmaligen Paralympicssieger, Welt- und Europameister legen die meisten Gegner schnell ab. "Am Ende geht es um die Punkte, da ist es doch egal wer am Tisch steht", sagt Wollmert, der vor der Saison aus Wuppertal zur TSG Heilbronn gewechselt ist. Wollmert arbeitet als Pressesprecher bei der Barmer Ersatzkasse in Stuttgart. Einmal die Woche trainiert er in Stuttgart sogar morgens vor der Arbeit, auch in Heilbronn ist er fleißiger und ehrgeiziger Trainingsgast.
"Er hat hier gleich die Führungsrolle übernommen", sagt Frank Beez, der stellvertretende Abteilungsleiter bei der TSG. Nicht nur am Tisch. Wollmert redet viel mit seinen jungen Mannschaftskameraden. Ein paar Zuschauer mehr als sonst sind bei den Heimspielen da. Der Wollmert-Effekt. Große Namen ziehen und machen neugierig. "Deshalb will man erst recht nicht enttäuschen", sagt Wollmert. "Für mich ist alles neu hier, die Liga, die Gegner."
Alles dreht sich um Olympia
Vier Einzelsiegen stehen fünf Niederlagen im hinteren Paarkreuz gegenüber. So richtig zufrieden ist er damit nicht. In Jahren ohne internationalen Höhepunkt reduziert Wollmert das Training, trotzdem hat es zu einem Vize-Europameistertitel gereicht. Ausgerichtet ist die langfristige Planung allerdings immer auf Weltmeisterschaften wie im kommenden Jahr. Seit dieser Woche steht Wollmert in Südamerika an der Platte. Diese Woche Buenos Aires, danach Brasilia. "Da will ich Punkte sammeln, um in der Weltrangliste bald wieder die Nummer eins zu sein", sagt die aktuelle Nummer zwei. Gut möglich, dass es zur Neuauflage des Finales der Paralympics 2008 kommt: "Gegen Chao Qun Ye aus China habe ich noch nie verloren. Das soll auch so bleiben."
Fernziel sind die Paralympics 2012. "Dann bin ich 47 Jahre. Es ist mein Traum, dann in London zum letzten Mal bei den Spielen dabei zu sein", sagt er. Behindertensport steht nur in olympischen Jahren im Fokus. Sydney, Athen, Peking. Der Einmarsch in ein vollbesetztes Stadion, die Bilder im Kopf, die dabei entstanden sind: "Das ist mein Antrieb", sagt er.
Neidisch auf Timo Boll, den Star des deutschen Tischtennis, ist er deshalb nicht. Nicht auf seine Werbeverträge, nicht auf seine Einnahmen. Wollmert geht es nicht ums Geld. "Wieso sollte ich auf ihn neidisch sein. Er war ja noch nie Olympiasieger", sagt Jochen Wollmert und lächelt. |
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